«Tag»

Im Wohnzimmer brennt das Feuer im Kamin, und alte Holzbalken werfen Schatten auf das Hirschgeweih an der Wand. Der ganze Raum scheint im Flackern der Flammen zu zittern. Das Ticken der alten Wanduhr und das Knistern, das vom Kaminsims ausgeht, bilden den sanften Soundtrack dieses Moments. Auf der anderen Seite des Zimmers steht das alte, verstimmte Klavier. Ich muss etwa zwölf Jahre alt gewesen sein, allein zu Hause, und bis heute weiß ich nicht genau, warum ich an diesem Abend nicht einfach den Fernseher eingeschaltet habe. Ob es Inspiration war, Neugier, eine Ahnung oder einfach Langeweile – mehr oder weniger unbewusst entschied ich mich, mich an dieses Instrument zu setzen. In den Tagen, Wochen und Monaten danach spielte ich stundenlang. Und selbst heute führt alles irgendwie auf diesen Moment zurück – den Moment, in dem ich einen Raum für meine Gedanken gefunden habe. Mein erstes Album «Tag» wird mich immer wieder an diesen Ort zurückbringen. «Tag» ist mein erstes persönliches Refugium. Jedes einzelne Klavierstück ist inspiriert von prägenden und glücklichen Momenten meines Lebens, die sich hier in Musik entfalteten. Der Alltag neigt dazu, die Wirklichkeit zu überdecken, damit wir handlungsfähig bleiben – und so wird auch unsere Musik oft analytisch. Der Tag gleicht meist einem Film, durchzogen von unreflektierten Emotionen und Reaktionen. Merkwürdigerweise ist es oft erst die Nacht, die die Komplexität der Gedanken offenbart, die uns jeden Tag verfolgen. Die Hülle eines jeden Menschen fällt auf unterschiedliche Weise – in meinem Fall durch die Musik.

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